Mit Händen und Füssen hat man sich gegen die Autorität von Elternhaus
und Lehrertum gewehrt, um endlich, endlich das langersehnhte
Erwachsenenalter zu erreichen. Weil man da alles darf und keiner
einem vorschreiben konnte, was zu tun und was zu lassen war.
Welch Trugschluss das ist, erfährt man spätestens dann, wenn man
sich den Spielregeln der Gesellschaft widersetzt.
Im Zeitalter Peitschen schwingender Dominas,
Gummi-Susis, Schwulen-Ehen, Lesbenvereinigungen,
geklonter Tiere und Embryozellen, Flügen zum Mond,
technischer Highlights, Silikonbusen, Geschlechtsumwandlungen
und sonstiger Leckerbissen aus der lustigen Welt des
Homo Sapiens, sorgt ein Thema immer noch für hochgezogene
Augenbrauen, verachtendes Naserümpfen oder pikierte Blicke.
Die Kombination oder der Anblick junger Mann und ältere
Frau. Möchte man meinen, nothing sei impossible auf
diesem spannungsgeladenen Globus hochintelligenter
Schulabschliesser, weltoffener Bürger, toleranter
Humanisten-Schreier und spendenfreudiger Busse-Tuer.
Möchte man meinen, dürfe jeder alles tun und alles sagen
oder habe zumindest das persönliche Recht, seiner eigenen
Lebensanschauung zu folgen oder auf sein eigenes Herz zu
hören. Möchte man meinen, jeder sei ein Individuum oder
zumindest seines Glückes eigner Schmied. Wäre da nicht
eines von zahlreichen ungeschriebenen Gesetzen, von wem
auch immer in die Welt gesetzt, dass in einer Liebesbeziehung
Mann älter sein musste als Frau, oder zumindest gleich alt.
Verpönt ist jedoch alles, was ins Umgekehrte fliesst, denn
spätestens da, hören Coolness und Emanzipation des
angeblich intelligentesten aller Lebewesen auf. Back to
the roots und zurück ins Steinzeitalter. Ob sich jedoch
die Höhlenbewohner ihrer Jahresringe so genau bewusst
waren und wie schwer diese gewichtet wurden, das sei
dahingestellt.
Was ist normal, was schick, was hip, was gehört sich oder
eben nicht und wer darf darüber richten? Wo wird die Grenze
gezogen in der Frage des Alters, gegen das so ziemlich jeder
mit Vitaminbomben, Fruchtsäuren, Fitnesstrainings und
Tatendrang nicht erst mit 50 dagegen ankämpft? Wer ist alt
und wer ist jung? Ist Alter rein biologisch zu betrachten oder
sollte es stattdessen nicht an der Lebenseinstellung, dem Way
of Life, dem Geist und der Seele eines jeden Menschen
gemessen werden?
Es spielt keine Rolle, wenn Frauen weitaus jünger als ihre Partner
sind, in homosexuellen Beziehungen 20 Jahre zwischen den
Liebenden stehen - fällt eh nicht auf, es spielt keine Rolle,
wenn Pärchen sich, etliche Breitengrade voneinander entfernt
und via Internet, kennen gelernt und eine Familie gegründet
haben. Man liebt sich schliesslich, Gott wie schön und ach so
romantisch sowie dem Zeitgeist entsprechend. Doch scheiden
sich die Geister dort, wo die Altersverteilung entgegengesetzt
ist und Frau älter als Mann ist. Wie viel Pufferzone wird gewährleistet
und toleriert? Plötzlich ist es nicht mehr schick, nicht mehr
normal und schon gar nicht hip. Er mit einem Ödipus-Komplex
behaftet und sie eine Jägerin ihrer erotischen Gelüste am Rande
der Prostitution. Schmutzig und verrucht, weil nicht mehr ins
Bild der Öffentlichkeit passend.
Ins Bild einer Öffentlichkeit, von der sich die Mehrheit genau
gegen so ein Schubladisiert-werden wehrt und leben möchte,
wie sie es für richtig hält und nicht, wie es andere von ihr
erwarten. Eine Mehrheit, die sich gegen Arroganz, Borniertheit
und Intoleranz auflehnt um eines Tages bucklig und frustriert
im Schaukelstuhl zu sitzen und bangen Herzens auf die Frage
eines Kindes "und warum hast Du es nicht getan?" eine Antwort
zu suchen. Weil die Öffentlichkeit, die einem im Leben nichts
schenkte oder hilfreich war, dagegen sowie verachtend und
beleidigend gewesen wäre? Oder weil man sich eingestehen
muss, einfach ein Feigling und Sklave der Gesellschaft gewesen
zu sein?
Aber bis zum Schaukelstuhl und der passenden Antwort vergeht
noch so manches Jährchen und es kann gehofft werden, dass sich
Fortschritt und ein weiter Horizont auch im Menschen selber
entwickeln und manifestieren.

Helena Ugrenovic
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