Manche ein bisschen mehr als andere. Manche toben sich ungehemmt und
gnadenlose durch's Leben, ohne Rücksicht auf Verluste und ohne dass der alte Mann mit dem
langen weissen Bart auch nur einen Wimperzucker dafür startet. Andere wiederum kriegen für
jeden noch so kleiner "Oupser" eins auf die Rübe.
Wie auf Kommando blickten wir uns an. Vanessa und ich, während
wir die Treppe hinuntertänzelten. "Jesus, heute sieht sie ja richtig
übel aus! Wie kann man bloss einen buntgemusterten Tangastring unter
einer weissen, durchsichtigen Sommerhose tragen?" fragend blickte ich
zu Vanessa. "Autsch!!" Ich hatte noch nicht einmal alles ausgesprochen,
was mir sonst noch an modisch versierten Kommentaren auf der Zunge lag,
als ich auf dem Absatz meiner Sandaletten die restlichen 10 Treppenstufen
hinunterschlidderte und es nur Vanessas Geistesgegenwart zu verdanken war,
dass sie mich an der Hand packen konnte und ich mir nicht das Steissbein quetschte.
Faul räkelte ich mich auf einer pinkigen Luftmatratze im
Salzwasserpool eines griechischen Luxusschuppens und
brutzelte unter ägäischer Sonne. Peinlichst genau darauf
bedacht, dass die Bahn für mich, die Queen des Pools, frei
war und niemand es wagte, meinen Weg zu kreuzen oder
Wasserspritzer meinen aufgeheizten Körper irritierten.
"Jippiehh! I am the best!" "The best" hatte die Hautfarbe
eines französischen Camemberts vor seiner Reifezeit, war
aus zwei Metern Höhe mit seinem Hintern aufs Wasser
geknallt und hatte mir eine unfreiwillige Dusche verpasst.
Während sich der Camembert reumütig entschuldigte, sah
ich vor meinem geistigen Auge, wie er sich abends, rot wie
ein Hummer, mit schmerzverzerrtem Gesicht, steif und
breitbeinig die Tzatziki-Sauce nicht aufs Schnitzel sondern
auf die verbrannten Schultern pappen würde. Ätsch!
Platsch!
Ich hatte mich, wie schon so oft während meiner Pool-Session,
lediglich umdrehen wollen. 1000 Mal probiert, 1000 Mal war nix
passiert, 1001 Macht, und es hatte Platsch gemacht! Seitlich war
ich in die reisserische Sprudeldüse des Pools gefallen und war
anschliessend eine Stunde lang damit beschäftigt, wie ein Storch
auf einem Bein über rutschige Bodenplatten zu hüpfen um mein
linkes Ohr zu entwässern.
Der Vorteil, eine zweite Muttersprache zu beherrschen die
zudem noch keinerlei Rückschlüsse auf die lateinische Sprachen
zuliess, besteht darin, jederzeit und unhöflicherweise gegenüber
dem Rest der Anwesenden, das eine oder andere Detail nicht
flüstern, sondern aussprechen zu können. "Mensch, der Typ ist
ja so was von ätzend! Merkt er denn nicht selber, wie überaus
doof er ist?? Ausserdem hat er gerade gerülpst!" lästerte ich
auf jugoslawisch in Vanessas Richtung. Ein Seminar hatte uns
und unsere Arbeitskollegen auf einen Berg hoch droben im
Luzernischen verschlagen. Weit und breit keine Fluchtmöglichkeiten.
Eigentlich beherrschte auch ich den Schluck- und Saugeffekt seit
dem ersten Tag meines Daseins. Eigentlich konnte ich auf eine
Erfahrung von 32 Jahren zurückblicken. Eigentlich war ich ein Profi.
Doch just in dem Moment nach meiner Lästerkampagne streikte das
Betriebssystem meines Gaumens und kollabierte mit dem
Luftröhrensystem. Die Augäpfel zuckten nach vorne, während
dessen ein stechender Schmerz meinen Brustkorb durchbohrte
und ich drohte, an einem Hustenanfall zu ersticken. Rettendes
Gehämmer auf meinen Rücken von Seiten des Rülpsers bewahrte
mich vor einem Kollaps.
"Mann, diese Szene hättest Du erleben sollen! Sie ist wie eine
Furie auf ihn losgegangen, hat getobt, gezetert, geschrieen und
gestänkert und ihn vor allen Leuten zur Schnecke gemacht! Wie
kann man bloss so eifersüchtig sein und sich so in aller Öffentlichkeit
zum Affen machen?" Ausführlich berichtete und kommentierte ich
meiner italienischen Liebe von einem Eifersuchtsdrama, dessen
Zeugin ich am Vorabend geworden war.
"Musstest Du sie unbedingt mit Komplimenten vollsülzen?" giftete ich.
"Hab' ich doch gar nicht. Ich habe lediglich gesagt, dass sie schönes,
langes Haar hat!"
"Pah! Das ist angesetzt! Alles was weiter als fünf Zentimeter von
der Kopfhaut absteht ist angeschweisst!"
"Sie sind trotzdem schön!" piekste Italy weiter.
"Ach ja? Dann hättest Du Dir so eine Freundin aussuchen müssen
und nicht mich mit kurzem Haar! Ausserdem musstest Du ihr auch nicht wie ein
Gockel die Hand reichen, damit sie sich vom Stuhl erheben konnte!" meckerte ich weiter.
"Ich wollte nur höflich sein!" verteidigte sich die Gegenpartei.
"Höflich? Sie hatte ihren eigenen Mann dabei, hat sie selber noch betont...."
Du musst nict eifersuchtig sein...ich ha mini maaaaa dabei"....bäh! Ich,
eifersüchtig? Auf was? Falsche Haare und falsche Wimpern?"
"Na und?"
"Na und? Ach so ist das! Aber klebe ich mir Fingernägel
an bin ich eine Kitschtussi."
"Hast nicht Du mir vor einigen Tagen von der überaus dämlichen
Hysterikerin erzählt, die sich in aller Öffentlichkeit zum Affen gemacht hat?"
Lauernd blickten mich zwei dunkle Augen an. In der Tat, das hatte ich.
Jetzt hatte ich mich und meine italienische Liebe im Klo
eingeschlossen und kochte über vor Eifersucht. Im Saal neben
uns tobte die Sause und ich verdankte es nur DJ Pippi und Jamie
Lewis, das mein Gekeife übertönt wurde.
"Mein Gott, was glotzen die denn so penetrant!?" Empört blickte
ich dem knallroten, tiefergelegten, überpolierten und schwerbeladenen
BMW hinterher. Den Klängen nach zu urteilen die mit etwa 80 Dezibel
durch die geschlossenen Fenster zu hören waren, handelte es sich
um After-Work-Party-Hengste die gerade ihren Brunftdrink hinter
sich hatten und nun röhrend durch die Gegen donnerten.
"Was ist?" fragend blickte ich in Vanessas nachdenkliches Gesicht.
"Bevor Du sie mit unflätigen Ausdrücken überschüttest und mit
Flüchen belegst, denk daran, dass Gott sofort straft, und manche sogar ein bisschen mehr."
Wo sie Recht hatte, hatte sie Recht. Es entsprach schon fast einer
Tatsache, dass irgendwo über uns - respektive mir - ein Kriegsgericht
hockte, das Gleiches mit Gleichem vergalt. Nur machte es ganz den
Anschein, dass ich von einem ganzen Bataillon an Security-Angeln
observiert wurde, die jeden Wimperzucker und jeden noch so
winzig-kleinen-und-gemeinen Gedanken sofort weiterpetzten und
mir mir-nix-dir-nix eine Retourkutsche um die Ohren hauten.
Die Moral der Geschicht? Security-Angel provoziert man nicht!

Helena Ugrenovic
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